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Roseto Effekt

In einer kleinen Stadt italienischer Einwanderer in der USA, Pennsylvania gab es keine Herzerkrankungen bei Männern unter 55 Jahren. Und im höheren Alter halb so viele Erkrankungen und Sterbefälle. Das fiel in den 50-er Jahren auf.

Besonderes Städtchen?

Diese Geschichte beginnt zufällig: Dr. Stewart Wolf von der Universität Oklahoma hatte sich in den 50er-Jahren in der Nähe des Städtchens Roseto in Pennsylvania ein Sommerhaus gekauft. Bei einem Gespräch mit dem lokalen Arzt unterhielt man sich darüber, dass es doch sehr erstaunlich sei, dass in Roseto Herzinfarkte so gut wie nicht vorkämen. Wohingegen im benachbarten Bangor die Herzinfarktrate dem nationalen Durchschnitt entsprach.

 

Zu dieser Zeit war die dramatisch steigende Zahl der Herzinfarktrate bei Männern unter 65 Jahren die Todesursache Nr. 1.

 

Dr. Wolf  startete eine Studie über einen Zeitraum von 7 Jahren. Die Forschungsresultate wurden erstmals 1964 im Journal of the American Medical Association publiziert. (1)

Die Annahme lag nahe, dass eine besondere Ernährung dazu führte. Olivenöl, Fisch und viel Gemüse?

Weit gefehlt.

 

Die Roseter hatten nicht genug Geld, um Fisch zu kaufen. Stattdessen wurden fettreiche Würste und viel fettes Fleisch verzehrt. Dazu kommt, dass alles in fettem Schweineschmalz gebraten wurde. Also von mediterraner Diät keine Rede. In der Freizeit wurde übermäßig Wein getrunken und geraucht.

 

So ein außergewöhnliches Phänomen! Die große Studien fand 1955 - 1961 statt, um dieses Gesundheits- Geheimnis zu erklären. (2)

 

In dieser Studie wurden die Gesundheitsdaten der Bevölkerung Rosetos mit denen der Nachbarstädte verglichen und die Ergebnisse waren erstaunlich.

 

Während dieser 7 Jahre laufenden Studie:

  • starb niemand in Roseto, der jünger als 47 Jahre alt war, an einem Herzinfarkt
  • traten bei Männern unter 55 Jahren grundsätzlich keinerlei Herzerkrankungen auf
  • die Häufigkeit von Herzinfarkten bei Männern über 65 Jahre war im nationalen Vergleich nur halb so hoch.
  • Die Sterblichkeitsrate im Zusammenhang mit Herzerkrankungen war im Vergleich zu anderen Städten um 35 % geringer.

Lebensweise, Heilwasser, Umwelt,...?

Da nun offensichtlich nicht die Ernährung der entscheidende Faktor war,  untersuchte man Freizeit und Arbeitsweise. Die Bewohner arbeiteten sehr hart und risikoreich in Steinbrüchen oder in Minen.

 

Zusammenfassend: die Einwohner wiesen eine extrem niedrige Herzerkrankungsrate auf, obwohl sie in Mengen in Schmalz gebratenes rotes Fleisch verzehrten, heftig tranken und rauchten und in giftigen Schieferminen arbeiteten? Ein eigentlich ungesundes Leben! (3)

Die Roseter lebten miteinander verbunden

Der bedeutende Unterschiede zu den anderen Gemeinden war das soziale Leben in der Stadt. Die Einwanderer aus Italien verhielten sich nicht amerikanisch, denn

  • besonders ausgeprägtes „Jeder kennt Jeden“ - Verhalten
  • die Bewohner waren außergewöhnlich eng miteinander verbunden
  • in der Gemeinde hielt man zusammenhielt
  • man unterstützte sich gegenseitig
  • man pflegte die starken familiären und gemeinschaftlichen Bindungen
  • besonders die Älteren waren gewürdigte Mitglieder der Gesellschaft 

Die Forscher kamen zum Ergebnis, dass die „Qualität der Familienverhältnisse und das soziale Milieu vor Tod durch Herzinfarkt schützen kann".

Das heisst, dass Beziehung zu anderen Menschen das Risiko einer Herzerkrankung beeinflusst.

Ein Meilenstein der Medizin?

Nach der Prüfung der wissenschaftlichen Fakten durch Journal of the American Medical Association wurde die Studie veröffentlicht. Statt Beifall gab es jedoch Kritik. In den 60-er Jahren waren der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs noch böse Gerüchte. Erst wenige Jahren zuvor wurde überhaupt Ernährung als Parameter der Gesundheit von wenigen Ärzten diskutiert.

 

Jetzt auch noch zu behaupten Zwischenmenschliche Beziehungen können Krankheiten und Tod beeinflussen, galt schon als radikaler Angriff auf die seriöse Medizin.

 

Trotz den Anfeindungen und Verleumdungen wollte man die Studie weiterführen und überprüfen und forschte 30 Jahre später wieder in Roseto.

Die Studie geht weiter

Nun waren die Roseter deutlich weniger "die italienischen Einwanderer". Eine Durchmischung mit den Amerikaner fand statt und löste die alten Traditionen und Verbände auf. Die hilsbereite Gemeinschaft und die Wertschätzung der Alten musste dem modernen isolierten, leistungsorientiertem Lifestyle weichen.

 

Die Folgen waren klar im Gesundheitszustand zu erkennen, der nun ähnlich schlecht ist, wie in den Nachbarstädten.

Die Zahlen zeigten deutlich, dass Beziehungsqualitäten in Zusammenhang mit Erkrankungen und Sterberaten stehen.

 

Diese Studie wurde 1992  vom Journal of Public Health veröffentlicht.

Quellen:

(1) Roseto Studie, C. Stout, "Unusually low incidence of death from myocardial infarction, study of Italian American Community in Pennsylvania", 1964: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14132548/

(2) "The Roseto Effect", Dr. S. Wolf, B. Egolf, 1992, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14132548/

(3) https://www.unimedliving.com/living-medicine/illness-and-disease/the-roseto-effect-a-lesson-on-the-true-cause-of-heart-disease.html